Der 60-köpfige Gastchor aus Deutschland crescendierte in dem Barockjuwel der St. Martinskirche gemeinsam mit den “Pueri Cantores” des Konservatoriums der Stadt Luxemburg
Als ein Appell für Frieden und Versöhnung versteht der 1962 gegründete Knabenchor aus Göttingen die Werkauswahl der 14-tägigen Konzerttournee, die in Junglinster am Passionssonntag begann und das junge Sängerregiment in diesen Tagen weiter nach Belgien und Frankreich führen wird.
Nach einer musikalischen Begrüssung des Gastgeberchores aus Luxemburg interpretierten die Gäste aus der Universitätsstadt Göttingen das Kyrie des amerikanischen Jazzpianisten Steve Dobrogosz. Neben Werken von Heinrich Schütz, Anton Bruckner und Gabriel Fauré verdienen Chilcotts Lobgesang des Simeon und Deak-Bardos’ “Eli, Eli, lama sabacthani” eine besondere Beachtung. Die Komposition “Laudem Dei?”(Oliver Gies und Christoph Hiller) ist ein kaleidoskopischer Einblick in die Fragen der singenden Jugend Göttingens an den Schöpfergott vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen: “Sag, wie kannst du, der Gute, Gerechte mit anseh’n den Krieg, das Leid, all das Schlechte. Bist Du’s, der Naturkatastrophen ersinnt? Gewaltsamer Tod? Ein verhungerndes Kind. Das Feuer, das Wälder und Häuser verschlingt? Und jenen, der flieht und verzweifelt ertrinkt.” Eine interessante finnische Vision des Psalms 121 von Lauri Nurkkula bot der Knabenchor aus Göttingen unter der Leitung von Michael Krause von der Orgelempore der 1772 errichteten Junglinster St. Martinskirche. Die Sangesfreude war den Gästen aus Deutschland förmlich im Gesicht abzulesen, sehr zur Freude der zahlreich erschienenen Zuhörerschaft.
Höhepunkt der musikalischen Begegnung war der gemeinsame Auftritt der “Pueri Cantores” des hauptstädtischen Konservatoriums und dem Göttinger Knabenchor – rund 100 junge Sänger ! –, die bereits am Vortag im “Conservatoire de la Ville de Luxembourg” zusammen auf Tuchfühlung gehen konnten. Mit feurigem Rhythmus stimmten sie in das südafrikanische Volkslied “Kwangena Thina Bo” ein. Anschliessend interpretierten sie das 2005 ursprünglich für ein Videospiel komponierte “Baba Yetu”, wo sich der Solopart für Tenor ein “Puer” und ein “Göttinger” teilten!
Die Interpretation des a-capella Stückes “Immortal Bach” des norwegischen Komponisten Knut Nystedt – der Chorleiter Michael Krause hatte den 2014 in Oslo verstorbenen Musikdozenten persönlich kennengelernt -, wo der Autor eine kreisförmige Aufstellung der Sänger rund um die Zuhörer empfiehlt, war ein stimmungsvolles Klangfresko, das unter der Leitung von Pierre Nimax gestaltet wurde : die Verteilung der luxemburgischen und deutschen Sängerschar innerhalb des barocken Kleinods in Junglinster ermöglichte dem Publikum eine ungeahnte Wahrnehmung des Kirchenraumes.
Das 1964 von der französischen Sängerin Barbara konzipierte Chanson “Göttingen” interpretierten beide Chöre in einem gelungenen Arrangement von Michael Krause. Und wurden nicht ab Ende der 1950er Jahre die Chansons von Barbara über die Wellen von Radio Luxemburg dank der 1954 errichteten Richtantennenanlage aus Junglinster insbesondere Richtung Frankreich ausgestrahlt und vom “Monsieur Musique de Radio-Luxembourg” Pierre Hiégel tatkräftig beworben? Für die Schöpferin des “Göttingen”-Liedes produzierte der RTL-Musikexperte übrigens die ersten Vinylplatten. “Mais Dieu, que les roses sont belles à Göttingen”, heisst es in diesem Friedenshymnus und Synonym für die deutsch-französische Versöhnung. Dem kann man nach diesem Konzertgenuss nur hinzufügen: “Mais Dieu, que les voix de garçons sont belles à Göttingen”!