Flaibano, music and more
Eine Reise in den Friaul
Im Auto oder mit dem Flugzeug: 30 Jahre Städtepartnerschaft zwischen Bettemburg und Flaibano im Friaul verdiente eine Auffrischung. 30 Jahre, in denen die Erinnerung eine Rolle gespielt hatte, familiäre Bindungen fortbestanden, während denen regelmäßig Besuch angesagt war vom italienischen Bürgermeister in Bettemburg am luxemburgischen Nationalfeiertag. Die Chorale Municipale Sängerfreed, die zehn Jahre zuvor den Anstoß zu diesem jumelage gegeben hatte, hatte im August 2023 große Lust auf ein Wiedersehen mit den Friulani.
Die Ankunft im Astoria Hotel Italia in Udine war bestens vorbereitet worden, die Reise ohne besondere Vorkommnisse abgelaufen. Das Ambiente war stimmig, die abendlichen Grappas oder Biere oder Weine schmeckten am ersten Abend vorzüglich.
Flaibano. Viele Familien und deren Nachkommen, die heute in Luxemburg leben, entstammen dieser norditalienischen Ortschaft. Ein-, höchstens zweistöckige Häuser stehen um die Kirche, verteilen sich mit ihren reichbepflanzten Gärten entlang der Straßen und Plätze. Flaibano zählt an die 1.100 Einwohner und grenzt u. a. an die Gemeinde Spilimbergo. Bevor die Figur der lokalen Heiligen Philomena in einem gläsernen Schrein auf den Schultern der Männer durch die Straßen getragen wurde, gestaltete der Chor die Sonntagsmesse. Auf dem Programm standen u.a. Werke von Jerry Estes und W.A.Mozart, sein Alleluia aus Exsultate jubilate und das Ave Verum. Unter der Leitung von Nancy Back-Kelsen und mit an der Orgel Romain Ludwig wussten die SängerInnen in der voll besetzten Chiesa parrocchiale della Beata Vergine Annunziata zu überzeugen. Das Schlusslied O Mamm léif Mamm wurde mit kräftigem Applaus bedacht.
Die Begrüßung während des anschließenden Mittagessens durch die Gemeindeverantwortlichen mit ihrem Bürgermeister Allessandro Pandolfo war herzlich. Die Anwesenheit des Bettemburger Bürgermeisters Laurent Zeimet und seiner Ehefrau Diane Steffanutti, deren Familie aus dem Ort stammt, verlieh dem Beisammensein eine besonders sympathische Note. Die Einladung am selben Abend anlässlich des Feiertages des 13. August ließ die SängerInnen und ihre Angehörigen an einem turbulenten und fröhlichen Fest teilnehmen, unter freiem Himmel oder unter Zeltplanen, mit Musik und Dekor und Gastronomie auf die Hand.
Das Konzert im Dom von San Daniele del Friuli, neben der berühmten biblioteca publica Guarnariana war zwei Tage später leider nur spärlich besucht. Die Vorankündigungen waren vernachlässigt worden. Was eigentlich schade war angesichts des interessanten Programms, den die Sängerfreed vorbereitet hatte u.a. mit Werken von Mozart, Schubert sowie italienischen Volksliedern. Den wenigen Zuhörern wurde trotzdem eine ausgezeichnete Darbietung geboten.
Ein Tagesausflug nach Venedig fand unter brühender Hitze statt. Während der ausgezeichneten Führung wurden viele interessante Aspekte erläutert. Diese handelten von der Geschichte der Haarfarbe der vornehmen Venezianerinnen, der Gestaltung der Stadt mit ihren Plätzen und genial angelegten ökologischen Wasserbrunnen sowie der exquisiten Architektur des Palazzo Ducale und seiner berühmten Seufzerbrücke. Was die Glut in den Gässchen ein wenig vergessen ließ.
Die Besuche von Triest, dem Kleinvenedig im Osten von Friaul-Julisch-Venetien sowie der Abstecher in Spilimbergo zur Mosaikschule waren weitere Höhepunkt der Reise. Die Schule, in der das Auftragen der auch in Luxemburg bekannten Mineralmischung Terrazzo gelernt wird, unterrichtet in der handwerklichen Kunst der Herstellung von Mosaikbildern. Fingernagelgroße und winzigste Steinchen und Splitter, alle Farben, alle Beschaffenheiten werden verwendet. Die Resultate, die an vielen Orten zu sehen sind, Frontispize zieren, Giebel und Kirchen, sind beeindruckend und zeugen vom besonderen Interesse der Italiener an der Pflege ihres architektonischen Erbes. Das, muss man hinzufügen, besonders im Friaul durch das Erdbeben von 1976 stark in Mitleidenschaft gezogen worden war.
Das Konzert am Abend im Dom Santa Maria Maggiore stand diesmal unter einem besseren Stern. Die Orgel aus dem 14. Jahrhundert mit an den Seitenflügeln, den Bildtafeln von Giovanni Antonio Pordenone zierte neben zahlreichen Fresken das Innere der gotischen Kirche. Die Werbung hatte diesmal geklappt. Viele Zuhörer hatten sich eingefunden. Darunter auch Luxemburger Familien und Freunde, die extra für das Konzert von ihren Ferienorten angereist waren. Das Programm, auf dem Klavier begleitet von Marie-José Hengesch stand im Zeichen einer Hommage au Frioul, beinhaltete zahlreiche italienische Lieder wie Santa Lucia, Quel mazzolin di fiori, das Lied aus dem Friaul Il Ciant de Filogiche Furlane und La Montanara sowie auch T’ass Fréijoër.
Die Werke wurden mit reichlichem Beifall bedacht. Zum Schluss blieb dieses eine Bild von den SängerInnen, die im hochmodernen Bus saßen zurück nach Udine und von einigen Konzertbesuchern auf dem Vorplatz des Domes, die ihnen spontan zuwinkten, als der Bus anfuhr. Eine Dankbarkeitsbezeugung, die berührend war.
Am vorletzten Tag war eine Bootsfahrt über die Laguna di Marano, im Osten von Venedig angesagt. Die Lagune ist kleiner als die Laguna di Venezia und Naturschutzgebiet. Die Fischerei ist streng geregelt, die Fahrt zu den historischen Fischerhütten ein Steuern durch ausgewiesene Wasserstraßen vorbei an Möwen und Kormoranen. Dazu streckten sich die ferne Hotelskyline und Strand von Lignano Sabbiadoro bis an die Ausfahrt zur Adria. Die Fischerkaten waren urig, vorzüglich restauriert, waren geschmückt mit allerlei Andenken, Erinnerungen, mit Fähnchen, Flaschen, glücksbringenden Amuletten und Fotos von der fröhlichen Familie des Eigentümers, nämlich des Kapitäns des Bootes. Er spielte dem Chor auf, stand auf dem Tisch, spielte mit fröhlicher Gitarre und sang dazu seine Lieder mit fröhlicher Stimme, Weisen, Canzone und Arien aus Bella Italia. Die Antwort des Chors war u.a. das friulanische Stelutis Alpinis. Es ging heiter und unbeschwert zu. Die Kate war ein Ort zum Verweilen und zum Wiederkehren geworden. Auf der Rückfahrt nach Marano stimmte die Sängerfreed, begleitet von Nando Fastro auf dem Akkordeon und sicher inspiriert von der Weite der Lagune spontan das heute noch sehr populäre Lied aus der Zeit der Partisanen im 2. Krieg Bella Ciao an.
Die Reise der SängerInnen und ihrer Angehörigen in den Friaul nach eingehender Vorbereitung u. a. durch den Präsidenten Lucien Einsweiler, Jeanny Kettel und Roger Hennico sowie Domenico Picco war ein breitgestreutes, geglücktes Projekt von Chorproben, von Entdecken, Begegnungen und Tagestourismus, von Musik als Gestaltung einer Messe und von Konzerten an historischen Stätten. Eine gute Voraussetzung für ein Fortbestehen dieser schönen, kulturellen Städtepartnerschaft zwischen Italien und Luxemburg.
Jean Back