Interview mit Perry Payne, Journalist und Autor: SOFA TALK

28.06.2024
SOFA TALK24 #224 (Autoren - Bücher - Meinungen)
+ + + Renée Reding (Autorin/Jugendbuch) im Gespräch + + +
Perry Payne: Schon immer hast du gerne geschrieben. Du kommst aus Luxemburg und hast vor fünf Jahren dein erstes Buch in luxemburgischer Sprache herausgebracht. Das war ein Kinderbuch. Später folgten Kinder- und Jugendromane.
Ich begrüße ganz herzlich Renée Reding. Wir wollen heute über deine neusten Bücher reden, die sich mit der Pubertät und den Problemen Bulimie und Mobbing beschäftigen. Da ist zum einen der Titel „Zum Kotzen schön: Eine Geschichte über Bulimie und Freundschaft“ und zum anderen „Weil Du Du bist. Wenn Schule zum Albtraum wird.“
Doch bevor wir näher auf deine Bücher eingehen, stelle dich bitte unseren Lesern vor.
Renée Reding: Schönen Gruß. Wie bereits erwähnt komme ich aus dem schönen Luxemburg. Ich bin nicht mehr so ganz jung, habe tatsächlich schon 68 Jahre, fühle mich aber wie 40. Ich habe 3 Kinder und 4 Enkelkinder.
Schon als junges Mädchen träumte ich davon, ein Buch zu schreiben. Es dauerte dann bis 2019, ehe ich ein Kinderbuch schrieb. Es war eine Zusammenarbeit mit einem ersten und zweiten Schuljahr, und es wurde tatsächlich ein Erfolg. Anschließend entdeckte ich aber meine Liebe zu Kinder- und Jugendromanen.
„Zum Kotzen schön“ war mein Debut in diese Richtung.
Perry Payne: Beginnen wir also bei deinem ersten Buch. Worum ging es dabei und wie hat es sich entwickelt? War es ein geplantes Projekt mit den Kindern?
Renée Reding: Nein, es war so gar nicht geplant. Mir wurde eine Geschichte von einer jungen Sportlerin, die an Bulimie erkrankt war, zugetragen. Ich erfuhr nicht sehr viel, trotzdem setzte sich der Gedanke, darüber zu schreiben, in meinem Kopf fest. Ich begann zu recherchieren, fragte eine Kinderärztin und eine Ernährungsberaterin. Die Geschichte über Lisa ließ mich dann nicht mehr los und ich musste es einfach aufschreiben.
Perry Payne: Wie ist die Geschichte aufgebaut? Orientiert sie sich biographisch an der Sportlerin oder ist die Rahmenhandlung frei erfunden?
Renée Reding: Alles erfunden. Ich bin nicht die strukturierte Schreiberin. Ich mache Recherche, kenne die Namen und beginne zu schreiben. Meine Geschichten entwickeln sich während des Schreibens. Manchmal verselbständigt sie sich auch, nimmt Umwege und entwickelt sich so ganz anders als am Anfang gedacht.
Perry Payne: Auf diese Weise hast du die Möglichkeit, einen eigenen Spannungsbogen zu kreieren oder Wendungen einzubauen. Diese Schreibmethode nutzen viele Autoren.
Nur wenige Monate später hast du ein weiteres Buch herausgebracht. Es ist erst seit ein paar Tagen auf dem Markt. Gibt es auch dazu eine Vorgeschichte?
Renée Reding: Diesmal war es mir ein Bedürfnis, über Mobbing zu schreiben. Meine Tochter wurde sowohl in der Schule als auch auf der Arbeit gemobbt. Sie wurde als Erwachsene krank, verlor ihre Arbeit und ist immer noch in Therapie. Die Geschichte von Ben ist dennoch frei erfunden. Ich wollte bloß zeigen, was Mobbing mit dem Opfer macht und dass man oft ein ganzes Leben lang darunter leidet.
Perry Payne: Bei beiden Büchern musstest du dich in den Sprachausdruck der Jugendlichen hineinversetzen. Das stellt oft ein Problem für Autoren dar. Immer wieder tauchen in Foren Fragen dazu auf, wie in den Schulen aktuell miteinander umgegangen wird oder welche Ausdrucksweise sie verwenden. Wie bist du dieses für Schriftsteller tendenziell technische Thema angegangen?
Renée Reding: Das war effektiv meine schwierigste Aufgabe, zumal ich ja auch nicht mehr zu der Generation gehöre, die so redet, und ich lebe in Luxemburg, Deutsch ist nicht meine Muttersprache. Also musste ich es lernen. Ich habe sehr viel gelesen und ich saß tatsächlich mit einem Block vor dem Fernseher und notierte mir alles, was in die Richtung ging. Jetzt fällt es mir immer leichter und ich schreibe es ohne Probleme.
Perry Payne: Wie sieht es aus: Du sagst, dein Kinderbuch war in Luxemburg ein Erfolg. Wäre es nicht eine Option, es ins Deutsche zu übertragen und neu herauszubringen?
Renée Reding: Nein, ich glaube nicht, es war gut, aber die deutschen Romane sind besser. Meine Meinung jedenfalls.
Perry Payne: Okay. Wird es ein weiteres Buch geben, das sich mit den Problemen der Jugend beschäftigt? Was können wir von dir als Nächstes erwarten?
Renée Reding: Ja, das Nächste erscheint Ende Oktober, rechtzeitig zur großen Buchmesse in Luxemburg. Mehr will ich noch nicht verraten.
Perry Payne: Du wirst also selbst auf dieser Messe sein? Erzähle uns mehr darüber. Wie sieht insgesamt dein Buchmarketing aus?
Renée Reding: Ich werde auf der ‚Walfer Bicherdeeg‘ der größten Buchmesse in Luxemburg sein. Dann gibt es noch 3 weitere, kleinere Buchmessen, bei denen ich auch ausstelle. Das Marketing insgesamt verlangt mir schon einiges ab. Ich musste viel lernen und musste mir eine Seite auf Facebook, Instagram und TikTok aufbauen. Musste lernen, Videos zu machen. Alles, was Jüngere ohne Probleme machen, quält mich schon. Was ich liebe, ist es, Lesungen zu machen. Das ist toll, zumal wenn die Jugendlichen so richtig mitgehen und eine Diskussion zustande kommt.
Perry Payne: Bitte gehe noch ein wenig mehr auf die Lesungen ein. Wie oft führst du die durch und wie organisierst du sie?
Renée Reding: Ich werde immer eingeladen. Ich hatte seit März fünf Lesungen an Schulen, jeweils eine sechste oder siebte Klasse. Nach kurzen Erklärungen und Fragen an die Jugendlichen lese ich ungefähr eine halbe Stunde, danach kommen Fragen und es entsteht immer eine rege Diskussion. Jede Lesung ist anders, denn auch die Jugendlichen sind verschieden. Manchmal werden schon während des Lesens Fragen gestellt. Manchmal sind auch alle still und man hat das Gefühl, das wird wohl nichts, aber dann am Ende entsteht ein reger Austausch. Ich hatte bis jetzt nur positive Erfahrungen.
Perry Payne: Das ist eine gute Möglichkeit für Promotion. Besonders, wenn es dir selbst etwas zurückgibt.
Lass uns noch etwas über die Bücher reden. Hier gehört mehr dazu, als sie zu schreiben und zu veröffentlichen. Deine beiden letzten Bücher haben professionelle Cover mit Wiedererkennungswert. Beide greifen immerhin auf die Probleme der Jugendlichen zurück. Hast du die selbst entworfen und gibt es eine Strategie dahinter?
Renée Reding: Ich schreibe, den Rest lasse ich machen. Lektorat, Korrektorat, Buchsatz und Cover. Ich lege großen Wert auf Qualität: auf ein professionelles Cover ohne KI. Das Kinderbuch wurde von einem Verlag veröffentlicht, ich musste mich um nichts kümmern. Bei dem ersten Jugendroman war ich in allem überfragt. Informationen bekam ich bei den Autorenforen auf Facebook. Aber ich lernte auch begreifen, dass Lektorat nicht gleich Lektorat ist. Nachdem das Erste komplett in die Hose ging, wurde ich vorsichtiger und seitdem lasse ich immer ein Probelektorat machen. Lektor und Autor müssen matchen, sonst wird das nichts. Ich habe tolle Menschen kennengelernt. Es ist genauso wie bei einem Kind, man würde das ja auch nicht jedem anvertrauen. Bücher sind ja unsere Babys.
Perry Payne: Das sind in der Tat wichtige Schritte vor der Vermarktung.
Bevor wir zum Ende unseres Gesprächs kommen, würde ich gerne noch etwas über dich persönlich erfahren. Wie sieht dein Tagesablauf aus? Und planst du feste Zeiten zum Schreiben ein?
Renée Reding: So ein typischer Tag ist bei mir, obwohl ich in Rente bin, sehr turbulent. Neben der ganz normalen Hausarbeit (muss ja leider auch sein) versuche ich, etwas Sport zu machen. Ich betreue manchmal die Enkelkinder und schaue nach meiner Mutter, kutschiere sie zum Arzt usw. Es gibt Tage, da schaffe ich es nicht, einen Satz zu schreiben. Die Gartenarbeit muss gemacht werden, und ja, ich habe auch noch einen Mann. Einmal die Woche quäle ich mich regelrecht mit Canva rum, um einige Beiträge zu machen. Aber dann gibt es auch die Tage, an denen ich sechs Stunden und mehr schreibe. Was Langeweile ist, weiß ich schon lange nicht mehr. Abends beim Fernseher pflege ich meine Social-Media-Kontakte.
Perry Payne: Nun dann. Wir dürfen gespannt auf deine weiteren Projekte sein. Aber bis dahin gibt es deine aktuellen Bücher, die aus meiner Sicht vor allem für die Angehörigen der Betroffenen hilfreich sind.
Das Abschlusswort gehört dir. Was möchtest du unseren Lesern noch mit auf den Weg geben?
Renée Reding: Mit meinen Büchern erfüllte ich mir einen langgehegten Wunsch, und ich hoffe, dass ich etwas damit bewirken kann, Bulimie darf kein Tabuthema mehr sein und mit dem Mobbingbuch möchte ich den Kindern die Augen öffnen. Jemanden hänseln und auslachen kann das Opfer schwer verletzen. Verschießt eure Augen nicht und seid tolerant.
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